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Romaner
Unterdes betrachtete Jungfer Anna nicht ohne Störung die Holzschnitte ihres Buches. Sie hatte Aufsehen erregt, vielleicht wegen ihres anmutigen Gesichtes, vielleicht weil sie einen Beguinenmantel trug, welcher in Thorn bei ehrbaren Jungfrauen nicht gebräuchlich war, denn sie vernahm plötzlich neben sich die dreisten Worte eines fremden Mannes: »Was guckt Ihr in Gedrucktes, Ihr hübsches Fräulein; hört lieber auf die Rede eines Edelmanns, wenn er Euch sagt, daß Ihr selbst schöner anzusehen seid, als die Weibsstücke, welche in diesem Buche abgebildet sind.« Anna sah neben sich den Schnauzbart des Polen, welcher in das Buch und auf sie starrte. Errötend wandte sie sich ab und faßte den Magister am Arm: »Herr Vater, gehen wir.« Aber als der Magister sich zu der Verabschiedung rüstete, raunte Hannus: »Bergt die Bücher, dort schleicht ein Dominikaner herzu, es ist Pater Gregorius, der heftige Mann.« Er schob mit schneller Handbewegung eine Decke über die aufgelegte Ware und neigte sich vor dem Mönch, welchen der Beguinenmantel der Jungfrau und die weiße Feder auf der Mütze des Polen herangelockt hatten, damit er seine Gewalt erweise. Der Mönch sah unter der gerollten Krempe seines Hutes finster auf den Händler herab: »Ich sorge, Meister Hannus, Ihr bewahrt vieles in Eurem Kram, was die Seelen guter Leute zu Schaden bringen mag.« »Ihr kennt ja mein Geschäft seit lange,« versetzte der Buchführer, »wenn Ihr mir auch selten Eure Kundschaft vergönnt. Wir armen Laien kaufen und verkaufen, was die Drucker von neuer Ware zusenden, uns fehlt die Zeit, um alles selbst zu lesen; auch haben wir nicht Witz genug, um zu verstehen, was den ehrwürdigen Vätern lieb oder leid ist.« »Der Rat sollte Euch strenger auf die Finger sehen,« fuhr der Mönch tadelnd fort, »denn wie mir scheint, gleitet allerlei durch Eure Hände, was Euch einmal da Angst bereiten wird, wo Ihr Erbarmen nötig habt.« »Ich halte auf reine Wäsche,« entgegnete Hannus gereizt, »erst gestern habe ich das Geld zu Eurem Tische getragen und meinen Zettel gelöst. Ist mir in meinem Geschäft zuweilen ein unrichtiges Buch durch die Hände geschlüpft, so habe ich diese Sünde durch richtiges Geld bei den Heiligen wettgemacht. Ihr selber wißt, daß ich Ablaß für alles habe.« »Dennoch rate ich Euch, daß Ihr Euch vor der Versuchung wahrt; denn der böse Feind ist mächtig geworden unter solchen, welche Bücher schreiben, und zu der Rotte des Reuchlin und Erasmus gesellen sich jetzt andere Übeltäter, welche ärger sind als jene,« und er schlug im Eifer mit der Faust auf den Tisch. Der Pole hörte ergötzt dem Eifer des Mönches zu. »Recht, ehrwürdiger Vater,« ermunterte er, »alles Gedrucktes ist Unsinn.« Diese törichten Reden der Dunkelmänner vermochte der Magister nicht geduldig anzuhören, er wandte sich mit herber Miene, um ihnen Bescheid zu sagen. Da aber erhob sich ein helles Geschrei, die Marktleute stoben vor einem fernen Schrecken auseinander, Weiber und Kinder rannten ...
© 2017 idb (E-bog): 9783961509539
Release date
E-bog: 30. september 2017
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Unterdes betrachtete Jungfer Anna nicht ohne Störung die Holzschnitte ihres Buches. Sie hatte Aufsehen erregt, vielleicht wegen ihres anmutigen Gesichtes, vielleicht weil sie einen Beguinenmantel trug, welcher in Thorn bei ehrbaren Jungfrauen nicht gebräuchlich war, denn sie vernahm plötzlich neben sich die dreisten Worte eines fremden Mannes: »Was guckt Ihr in Gedrucktes, Ihr hübsches Fräulein; hört lieber auf die Rede eines Edelmanns, wenn er Euch sagt, daß Ihr selbst schöner anzusehen seid, als die Weibsstücke, welche in diesem Buche abgebildet sind.« Anna sah neben sich den Schnauzbart des Polen, welcher in das Buch und auf sie starrte. Errötend wandte sie sich ab und faßte den Magister am Arm: »Herr Vater, gehen wir.« Aber als der Magister sich zu der Verabschiedung rüstete, raunte Hannus: »Bergt die Bücher, dort schleicht ein Dominikaner herzu, es ist Pater Gregorius, der heftige Mann.« Er schob mit schneller Handbewegung eine Decke über die aufgelegte Ware und neigte sich vor dem Mönch, welchen der Beguinenmantel der Jungfrau und die weiße Feder auf der Mütze des Polen herangelockt hatten, damit er seine Gewalt erweise. Der Mönch sah unter der gerollten Krempe seines Hutes finster auf den Händler herab: »Ich sorge, Meister Hannus, Ihr bewahrt vieles in Eurem Kram, was die Seelen guter Leute zu Schaden bringen mag.« »Ihr kennt ja mein Geschäft seit lange,« versetzte der Buchführer, »wenn Ihr mir auch selten Eure Kundschaft vergönnt. Wir armen Laien kaufen und verkaufen, was die Drucker von neuer Ware zusenden, uns fehlt die Zeit, um alles selbst zu lesen; auch haben wir nicht Witz genug, um zu verstehen, was den ehrwürdigen Vätern lieb oder leid ist.« »Der Rat sollte Euch strenger auf die Finger sehen,« fuhr der Mönch tadelnd fort, »denn wie mir scheint, gleitet allerlei durch Eure Hände, was Euch einmal da Angst bereiten wird, wo Ihr Erbarmen nötig habt.« »Ich halte auf reine Wäsche,« entgegnete Hannus gereizt, »erst gestern habe ich das Geld zu Eurem Tische getragen und meinen Zettel gelöst. Ist mir in meinem Geschäft zuweilen ein unrichtiges Buch durch die Hände geschlüpft, so habe ich diese Sünde durch richtiges Geld bei den Heiligen wettgemacht. Ihr selber wißt, daß ich Ablaß für alles habe.« »Dennoch rate ich Euch, daß Ihr Euch vor der Versuchung wahrt; denn der böse Feind ist mächtig geworden unter solchen, welche Bücher schreiben, und zu der Rotte des Reuchlin und Erasmus gesellen sich jetzt andere Übeltäter, welche ärger sind als jene,« und er schlug im Eifer mit der Faust auf den Tisch. Der Pole hörte ergötzt dem Eifer des Mönches zu. »Recht, ehrwürdiger Vater,« ermunterte er, »alles Gedrucktes ist Unsinn.« Diese törichten Reden der Dunkelmänner vermochte der Magister nicht geduldig anzuhören, er wandte sich mit herber Miene, um ihnen Bescheid zu sagen. Da aber erhob sich ein helles Geschrei, die Marktleute stoben vor einem fernen Schrecken auseinander, Weiber und Kinder rannten ...
© 2017 idb (E-bog): 9783961509539
Release date
E-bog: 30. september 2017
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